
Ganz toll! Man liest die Überschrift und schon ist einem nachhaltig der Tag versaut. Nicht auf diese spontane, kurzweilige Art, die man als bald hinter sich lässt, wenn andere Ereignisse auf einen hereinströmen. Sondern auf diese qualitativ äußerst hochwertige Art, bei der selbst der unerwartete Anruf über das noch unerwartetere Ableben des unbekannten, dafür obszön reichen und weitschichtig verwandten, Erbonkels, der einem – was eindeutig am unerwartetsten ist – alles vererbt hat, zur Bedeutungslosigkeit verblasst, weil man der Missmutigkeit bereits ausgeliefert ist und sich dem bitteren Schmerz der Situation schon überantwortet hat. Sie wissen genau, was ich meine!
Verzeihen Sie diese billige Effekthascherei, aber das hat sich irgendwie angeboten. Nun ja, jedenfalls denken Sie bei den obigen Aussagen wohl mit großer Wahrscheinlichkeit, weil dahingehend umfassend konditioniert, an eine der folgenden drei Szenen.
1) Ein denkbar schlechter Film, in dem eine vermeintliche Autoritätsperson ihr vertrotteltes Gegenüber davon in Kenntnis setzt, dass sie tatsächlich die hochgradig wirkungsvolle und ausgeklügelte Bemerkung im Stile von „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“ durchschaut hat, und eine weitere Ausflucht nur um des Drehbuchs Willen akzeptieren wird. Natürlich findet sich ein derart sinnentleerter Dialog nicht in Werken mit einem gewissen literarischen Anspruch, aber selbst im dramaturgisch sparsamen Actionkino darf es, wie auf der Waage an der Feinkosttheke, ein bisserl mehr sein (diesem beklagenswerten Umstand sei ein anderer Eintrag gewidmet). Haben Sie sich jetzt schon „Treffer“ gedacht, sind sie noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen.
2) Man ist in der Arbeit, verrichtet penibel und sorgsam seine Pflichten, und plötzlich, aus heiterem Himmel, der sich schlagartig zur Neumondnacht verdunkelt, steht sauer der Chef vor einem. „Haben Sie den Bericht jetzt endlich fertig? Der hätte vor einer halben Stunde auf meinem Tisch liegen sollen!“ Jetzt ist man ein wenig ratlos, weil man absolut nichts von einem Bericht weiß. Außerdem hat man den Chef schon seit über einem Monat nicht mehr gesehen, weil man zuerst auf Urlaub gewesen ist und sich der Vorgesetzte danach auf Kur verfügt hat. Kurz, man ist sich ziemlich sicher, dass man mit keiner Berichtserstellung beauftragt wurde. „Ähm Verzeihung, aber ich bin nicht ganz sicher, ob ich weiß, welchen Bericht Sie meinen.“ „Tun Sie nicht so, Sie haben mich schon verstanden! In spätestens fünfzehn Minuten hab‘ ich ihn, und zehn Kopien liegen im Konferenzraum!“ Der Chef rauscht schnaubend ab und man selbst blickt unsicher in die Kollegenrunde. Glücklicherweise haben nicht alle genug Verstand, um stumm auf den Boden zu blicken oder wenigstens arbeitsam zu wirken und den PC Bildschirm zu fixieren. Meist ist es einer der Praktikanten, der einem unverblümt ins Auge sieht und fröhlich lächelt.
Ha, das ist das verräterische Zeichen. Dieser niederträchtige Quereinsteiger, der protegiert wird und schon vom ersten Tag an auf die eigene Position scharf war! Dem muss umgehend Einhalt geboten werden! „Hey Mario, komm mal rüber“, gibt man sich überlegen. „Wo ist der Bericht für den Chef? Er will ihn in fünfzehn Minuten im Konferenzraum haben. Mach zehn Kopien und leg‘ die auf.“
„Aber ich ordne doch nur die Rechnungen der letzten zehn Jahre, ich hab‘ doch noch nie…“
„Du weißt genau, was ich meine! Los jetzt, und beeil Dich gefälligst!“ So schnell wird man vom Gejagten zum Jäger. Fünfzehn Minuten danach stellt sich heraus, dass der Praktikant und man selbst umsonst im Angstschweiß gebadet hat, weil der Chef seit seiner Kur eigentlich Medikamente zur Durchblutungsföderung im Gehirn nehmen müsste, die er jedoch just an diesem Tag vergessen hat, und tatsächlich über nichts zu berichten gewesen wäre. War das Ihr Gedanke? Gut für Sie, denn die schlimmste Variante kommt erst.
3) Ein handelsübliches Beziehungsdrama kurz vor dem Überschreiten der Maximalzuladung an hingebungsvoller Irrationalität und dem Ausbruch des emotionalen Vesuv mit anschließendem unaufhaltsamen Strom der Zorneslava. Der klassische Ansatz gebietet, dass der Mann törichterweise eine wie auch immer geartete Dummheit begangen hat, vorzugsweise das Vergessen des Hochzeitstages, und von der Frau darauf hingewiesen wird, wohl etwas vergessen zu haben. In die Ecke gedrängt, setzt dieser aufs falsche Pferd und entgegnet, dass er sich sicher sei, an alles gedacht zu haben. Dadurch stellt er der weiblichen Zornesglut, ohne es zu wissen, weiteren Brennstoff zur Verfügung, was dazu führt, dass erstmal „Du weißt genau, was ich meine“ fällt.
Geschickt versucht der Mann, dem die Finte langsam dämmert, nun durch „Ich weiß überhaupt nicht, wovon Du redest“ zu parieren. Allein, geschickt findet dies klarerweise nur der Mann, weil ihm die gesamte Dialogregie aus Situation 1 bekannt vorkommt, wobei er sich augenblicklich wünscht, er hätte mehr auf den Text und die nachfolgende Handlung geachtet, statt nur auf die bunten Explosionen gestarrt, und diese mit einem erfreuten Grunzen honoriert zu haben. Hat er aber nicht! Und deswegen trifft ihn das weitere Geschehen völlig unvermittelt. „Ich erwarte nur, dass Du Dir einen Tag im Jahr merkst, und nicht mal das schaffst Du!“ entfährt es der Frau, deren aufgeblähte Nüstern von den Augen des Mannes analysiert werden, worauf ohne Umschweife im Gehirn eine elementare Subroutine gestartet wird, die alle zentralen Aspekte die eigene Schwiegermutter betreffend regelt. Diese bietet direkt drei Möglichkeiten an: Entweder wurde die Essenseinladung der Schwiegermutter absichtlich verdrängt, die Besorgung eines dafür geeigneten widerwärtigen Geschenkes vergessen, oder eben beides.
Leider führt dies zum nächsten Fehler, weil der Mann nun „Ich weiß, dass wir heute…“ sagt. Weiter kommt er nicht, weil die Frau ihre Entrüstung noch etwas konservieren möchte und ihn durch „Du brauchst gar nicht weiter zu reden, Du hast mich schon verstanden!“ unterbricht und dann abgeht. Der Mann bleibt leichenblass und völlig verdutzt zurück, besorgt dann in gutem Glauben an das unabwendbare Abendessen in der Hölle Blumen und eine Flasche Champagner. Wenige Stunden später, wenn auch ihm klar geworden ist, worum es tatsächlich geht, wird er diese Gastgeschenke zu Hochzeitstagsaufmerksamkeiten umfunktionieren und aus seiner Schreibtischlade den von seiner Frau favorisierten Schmuckartikel holen, den er dort in weiser Voraussicht vor exakt einem Jahr positioniert hat.
Woran auch immer Sie gedacht haben, vielleicht sogar an etwas noch Schlimmeres, eines lernen wir daraus. Diese Floskeln gilt es unter allen Umständen zu vermeiden. Sie führen immer zu Argwohn und fürchterlichen Missverständnissen. Denken Sie in Zukunft daran, und lassen Sie ein bisschen Menschlichkeit walten. Sie haben mich schon verstanden!
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Lieber Maximus,
Um ehrlich zu sein, weiß ich oft nicht wirklich, was ein lieber Zeitgenosse mir eigentlich sagen will, wenn er oder sie mir diesen Satz mit drohender Miene und mit wutglitzernden Augen entgegen schleudert. Manchmal bin ich mir nicht einmal dann sicher, worum es tatsächlich geht, wenn dieses Statement in etwas milderem Ton an mein Ohr dringt. Zumeist versuche ich möglichst gelassen darauf zu reagieren, was bedeutet, dass ich, immer vorausgesetzt ich schaffe das, gar nichts erwidere, sondern mich fürs Erste einmal kommentarlos „verdünnisiere“.
Deine Ausführungen, wie man darauf eventuell reagieren könnte, fand ich jedenfalls köstlich. Sie haben mich mehrmals herzhaft zum Lachen gebracht, was ja bekanntlich sehr gesund sein soll. Vielen Dank!
Wenn man die Floskel einmal in der Umkehr betrachtet, so könnte man eigentlich ganz froh sein, dass nicht jeder stets genau weiß, was man meint. Sind ja nicht immer nur freundliche Gedanken, die man dem Gegenüber widmet. Nach dem Motto „Seid nett zu einander“ sollte man zwar nur Liebes über den Anderen denken, doch wer schafft das schon immer! Gut, wenn man die unfreundlichen Gedanken wenigstens nicht ausspricht und noch besser, wenn der eventuelle “Kontrahent“ sie wenigstens nicht aufgrund unserer Gesichtsröte und unseres missmutigen Blicks errät. Ich jedenfalls bin froh, wenn ab und zu der Friede auf diese Art gewahrt bleiben kann.
Jedenfalls bin ich Deiner Meinung, dass die sehr oft zu großem Verdruss führende Redewendung „Du weißt genau, was ich meine, Du hast mich schon verstanden, zu den reichlich überflüssigen gehört.