Die Katzenüberlegungen erscheinen als regelmäßige Glosse („Katzenjammer“) im Magazin all4pets, aktuelle Ausgabe 3/2016 (www.all4pets.at).
Jeder braucht einen Platz auf dieser Welt. Einen Ort der Ruhe, der Sicherheit und einen Spielplatz. Also Plätze. Etwa meine Couchmulde oder das Klavier, wenn der Deckel geschlossen ist, der kleine Abstelltisch oder die Ecke hinter dem Bücherschrank. All das gilt es mit Fauchen und Kratzen zu verteidigen. Dummerweise muss ich meine Plätze ständig mit meiner seltsamen Mitbewohnerin teilen.
Doch gegen elf Uhr nachts, wenn die Zahnputzgeräusche verstummen, der Duschhahn schweigt und meine Mitbewohnerin endlich mit ihrem Gesingsang aufhört, gehen schlussendlich die Lichter aus und eine friedvolle Stille fällt über das Land. Dann habe ich alles für mich ALLEINE!
Zwischen Mitternacht und sechs Uhr früh ist alles MEIN Reich. Ich liebe diese Zeit.
Nur einmal stand meine Mitbewohnerin plötzlich mitten in der Nach vor mir (und dem Kühlschrank), weil ihr wohl vor lauter Duschgesumme schließlich in der Nacht die Zunge am Gaumen kleben geblieben war oder so, und überraschte mich, wie ich genüsslich meine Pfoten schleckte. Das wäre nicht so tragisch gewesen, aber ich lag gerade im Obstkorb, das machte die Sache etwas pikant. Ansonsten verlief diese Zeit gewöhnlich ganz friedlich. Bis vor kurzem.
Da hatte meine Mitbewohnerin doch tatsächlich Besuch von einer Freundin aus fernen Ländern. Und weil diese zu knackmausknausrig war, sich ein Hotelzimmer zu nehmen, schlug meine Mitbewohnerin ihr in geistiger Umnachtung vor, doch hier zu übernachten und überließ ihr das Schlafzimmer. Sie selbst beschlagnahmte in feindlicher Übernahme die Couch.
Da war es nun: Gekicher bis zum Abwinken. Es war schon weit nach Mitternacht, als das Gequassel der beiden endlich verstummte und meine Mitbewohnerin schließlich ihr Lager aufschlug und nach kurzer Zeit gemütlich einmützelte.
Und ich? Zunächst wartete ich in einer Ecke, bis alles still war. Doch etwas stimmte nicht, etwas stimmte ganz und gar nicht. Der ganze Raum war sozial kontaminiert. Bah!
Sicher, ich könnte es mit dem Obstkorb probieren, aber das wäre die falsche Reihenfolge gewesen. Zuerst kommt immer die Couch. Dort checke ich normalerweise zunächst die Lage und mache Pläne für den weiteren Verlauf des Abends. Dann krieche ich unter das Bücherregal, wo es immer ultraspannend ist, denn man weiß nie, wer kommt. Doch auch das ist nur der halbe Spaß, wenn man weiß, wer kommt, weil schon wer da ist.
Ich war frustriet und durchquerte den Raum, während ich den Feind leise atmen hörte. Ich fühlte mich wie gelähmt, man hatte mir meine Plätze amputiert, alles war falsch und verkehrt.
Da hörte ich eine Stimme: „Das ist mir ein Rätsel.“ Dann Stille. Dann wieder: „Oha!“. Ich stutzte. Meine Mitbewohnerin sprach im Schlaf. Sehr interessant, allerdings sagt sie nie „Oha“, das war MIR ein Rätsel.
Nun ja, wenigstens eine kleine Performance ihrerseits, wenn mir schon mein Abendprogramm verwehrt blieb. Ich sprang auf ihre Decke, sie schnaufte laut und wechselte die Schlafseite. Da war ein Stück Haut zwischen Hals und Schultern. Ich pratzelte danach. Meine Mitbewohnerin zuckte etwas, schlief aber weiter. Hahaha, das Ersatzprogramm fing an, mir zu gefallen. Das nächste Mal würde sie es sich zweimal überlegen, mein Areal zu besetzen.
Einer ihrer Zehen guckte heraus, zunächst schleckte ich daran, dann tappte ich mit der Pfote hin. Sie zog ihn ein, warf die Decke darüber und drehte sich auf den Bauch. Ich trippelte vom Bein hinauf zu ihrem Rücken, der Hals lag frei, dort spielte ich ein wenig mit einer Haarlocke. Oha, dachte ich, das macht Spaß. Meine Mitbewohnerin murmelte etwas, ich weiß nicht, ob im Schlaf oder Wachzustand. Sollte es „Hör auf, sonst setz ich dich unter die Dusche und dreh auf!!“ geheißen haben, könnte es sein, dass Letzteres der Fall war. Ich kicherte in mich hinein.
Alles nahm dann doch noch einen recht amüsanten Verlauf, denn am Morgen wurde ich durch einen schrillen Schrei geweckt. „Um Himmels Willen, Felice, das Basilikum! Die Kaffeebohnen! Meine gelben Schuhe! Was ist denn da passiert?“
Ich blickte verschlafen aus dem Obstkorb auf und dachte: „Oha, das ist mir echt ein Rätsel!“.
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