Die Katzenüberlegungen erscheinen als regelmäßige Glosse („Katzenjammer“) im Magazin all4pets, aktuelle Ausgabe 3/2015 (www.all4pets.at).
Sie wissen ja, wie wir Katzen sind: Geheimnisvoll, intelligent, inspirierend, faszinierend, poetisch, cool, sexy und unendlich schön. Aber eines dürfen Sie niemals außer Acht lassen, inmitten dieser wunderbaren Eigenschaften und Eigenheiten sind wir vor allem eines: Unsäglich melancholisch.
Ja, so ist es nun mal, die Schwermut liegt uns im Blut. Oder nein: wir haben sie erfunden!
Rollen Sie jetzt nicht mit den Augen, sonst muss ich Sie kratzen. Oder weinen. Melancholie ist unser zweiter Vorname, sie ist uns Katzen in die Wiege gelegt, wir saugen sie praktisch mit den Zitzen der Muttermilch auf, erkratzen sie uns mit jeder einzelnen unserer Krallen, erschnurren sie uns in den ersten Lebenstagen.
Schwermut sitzt uns in jeder Fellfaser und wenn wir nicht so schwermütig wären, wären wir wahrscheinlich leichtmütig, aber dieses Wort gibt’s nicht, daher sind wir wehmütig. Punkt aus.
Wenn unser Leben traurig ist, dann ist es so tieftraurig, dass wir die intensivsten, sensibelsten, dunkelsten Songs schreiben würden (Ach hätten wir doch nur Daumen!).
Die gefühlte Öde unseres Daseins bedeckt uns plötzlich wie eine schwere Heizdecke beim Stromausfall.
Jetzt zum Beispiel sitze ich gerade auf dem Fenstersimms und blicke in die Tiefe und Weite des Firmamentes hinaus. Der Abend gestern sollte einen schönen Morgen versprechen. Und was finden meine trüben Augen heute? Regen in Strömen! Und ich frage mich: Was soll das alles?
Ich beobachte draußen eine Pfütze, die sich zwischen den grauen, ach so grauen Steinen, gebildet hat. Sie wird größer. Und größer. Und größer. Eine Schnecke bewegt sich darauf zu. Und ich denke mir: „Tu es nicht!“ Aber dann wieder: „Tu es, tu es, dann hast du‘s hinter dir!“
Aber ich frage mich auch: „Ertrinken Schnecken überhaupt? Und wo hast du dein Haus gelassen, du hässliches, braunes, schleimiges Ding?“. Gleich darauf tadle ich mich selbst, weil ich so gemein bin. Ich möchte meine Augen schließen, aber dann seh‘ ich nichts mehr, alles wird schwarz, so schwarz wie meine Zukunft, also öffne ich sie wieder, laaaangsam.
Doch hier ist alles grau. Ich blicke auf mein Fell, auch grau.
Ich rolle mich in meiner Couchmulde zusammen, der Winkel passt heute nicht. Hat er denn jemals gepasst, oder hab ich mir immer nur was vorgemacht? Passt denn Ihr Winkel, in dem Sie sich in Ihre Lebensmulde schmiegen? Ich sage entschieden „nein“, aber würde ich „ja“ sagen, dann glauben Sie mir bloß nicht, denn ich bin nicht bei Sinnen. Oder vielleicht bin ich klarer denn je.
Ich verlasse die Mulde und setze mich wieder vors Fenster, vielleicht finden sich noch andere, deren Leben ebenso erbärmlich ist wie meins. Aber nein, ich bin ganz alleine auf dieser Welt. Alle Katzen sind irgendwie immer ganz alleine auf der Welt, das wissen Sie ja hoffentlich! Und wenn nicht, ist mir das wohl schnurrtz.
Meine seltsame Mitbewohnerin beobachtet mich, sie glaubt, ich posiere hier nur so rum, um schön zu sein und will mich aus der Reserve locken. Doch meine Reserven sind leer, in mir findet sich nur hohles Nichts, ein fettes triefendes Stück Schwermut kann sie haben, wenn sie es aus mir raus kriegt. Überhaupt meine Mitbewohnerin, warum ist sie so seltsam, was will sie von mir?
Ich glaube der Winkel zwischen Mensch und Katze passt ganz und gar nicht, sonst hätten wir wohl keine Krallen und der Mensch diese poröse Haut… Welch zynisches Wesen hat uns beide zusammengeführt. Ich schlucke und verharre in Erstarrung. Nichts kommt mehr, alles geht.
Ich höre ein Rascheln. „Felice, schau mal her!“
Hm, instinktiv drehe ich mich um, aber mein träger Kopf ist langsam, weil die Leere darin so schwer wiegt. Und was sehe ich?
Au Mann, ein Leckerli! Mit einem Satz springe ich auf den Fußboden, lasse mich von meiner Mitbewohnerin ausgiebig kneten und streicheln, irgendwie ist sie ja auch lieb. Ich schnappe mir das Futter, das sie mir hinhält. Wie köstlich!
Hm, wo war ich nochmal stehengeblieben?
Ach ja, sagte ich schon, dass wir Katzen launisch sind?
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