Was tun Menschen im Allgemeinen ganz gerne, die mit ihrem Leben grundsätzlich, oder auch nur temporär unzufrieden sind und spüren, dass es da sehr viel Luft nach oben gäbe, die aber nicht wissen, wo die Leiter ist? Oder solche, die wegen der von ihnen selbst hilflos zugelassenen Lebensumstände oder pawlowsch antrainierten wie wohl absurden „wie-alles-zu-sein-hat“-Vorstellungen nicht vorwärts kommen (was immer das heißen mag)? Nun, wer keine Perspektive hat, entrüstet sich eben moralisch. Über die Welt, die Zustände, die Politik, vor allem aber über sein direktes Umfeld. Da sind die Bösen schnell ausgemacht. Jeder, der von den eigenen Vorstellungen abweichende Maximen hat, ist zum Beispiel ein Böser. Ein sehr böser sogar.
Natürlich wäre es da ein fataler Fehler, sich mit dem Betreffenden eingehender auseinanderzusetzen, zu versuchen seine Motive zu verstehen, oder ihn, man stelle sich vor, gar zu Wort kommen zu lassen. Im Gegenteil, der muss zum Schweigen gebracht und mit Häme überhäuft werden, seine tölpelhaften Grundsätze in die eisernen Schranken der eigenen souveränen Gedankenwelt gewiesen werden und seine inferioren Lebensansichten müssen durch den persönlichen Überlegenheitshäcksler gejagt werden.
In weiterer Folge wäre es so völlig unangebracht, darüber zu reflektieren, dass man diesen puritanischen Sozialasketen vielleicht schon Jahre kennt und er sich stets als verlässlicher, vernünftiger Zeitgenosse erwiesen hat. Das würde einen doch nur unnötig davon abhalten, ihn mit dem Wermut der eigenen Lebensüberdrüssigkeit zu übergießen und sich selbst derweilen wie die Herzkönigin aus „Alice im Wunderland“ zu fühlen. Emotinalabsolutismus ist pragmatisch gedacht nun mal zweifellos die leichteste Form, mit den eigenen Unzulänglichkeiten umzugehen und hat den Vorteil, dass man den Fehler unverhohlen beim anderen suchen kann. Gleichzeitig bietet er die unvergleichliche Möglichkeit, die eigene Selbstherrlichkeit im Auge des sich erdreistenden Sittenstrolchs flammen zu sehen, während man ihm diese selbst attribuiert.
Niemals, ich wiederhole, niemals darf man sich dann jedoch dem unkontrollierten Sinnieren hingeben, mit dem häufig diese widerliche Selbsterkenntnis einhergeht. Denn Selbsterkenntnis macht nicht nur depressiv, sie bremst auch den diktatorischen Eifer, wenn es darum geht, die persönliche Überlegenheit in die minderbemittelten Hirne der zur Verfügung stehenden Rezipienten zu prügeln.
Die wichtigste Regel ist jedoch freilich: Wenn man sich mit einer Meinung konfrontiert sieht, die einem auch nur ansatzweise seltsam vorkommt oder die man nicht versteht, oder der man sich intellektuell vielleicht sogar gar nicht gewachsen fühlt gilt es reflexartig die Schuld dafür auf das Gegenüber zu projizieren und es diesbezüglich zur Rede zu stellen, wie es ihm denn nur einfallen hatte können, einen so unsäglichen Unsinn zu postulieren, der doch augenscheinlich den eigenen ehernen Ansichten widerspricht, ganz sicher aber den persönlichen Horizont übersteigt und folglich keinesfalls mehrheitsfähig oder, Gott verhüte, wahr sein könne.
Zusammengefasst hat diese Vorgehensweise bereits vor vielen Jahren der unvergleichliche Helmut Qualtinger in einem einfachen Zitat, dem nichts mehr hinzuzufügen ist: „Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen“.
Sollten Sie sich dem Autor dieser Zeilen grade zusehends moralisch überlegen fühlen: Nur zu, lesen Sie nochmal oder schreiben Sie ihm einen Kommentar.
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Ach, Ihr Lieben!
lasst uns doch ein liebevolles Augenzwinkern finden. Wie sitzen wir ja alle im selben Boot! Und es plätschert rundherum. Hat doch jeder von uns vom Baume genascht und jeder von uns weiß jetzt, was gut und böse ist. So ist das eben mit dem Ur-Teilen.
Wenn wir uns ordentlich aneinander reiben, dann schleifen wir unsre Ecken und Kanten wenigstens ab…. Wangenreiben ist doch auch lieb.
In diesem Sinne schicke ich allen viel goldenen Sonnenschein, laue Frühlingslüfte und Himmelsblumendüfte, heitere Herzen und viel Liebe
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Da fällt mir glatt nochwas ein!
Zum Glück reicht der Schein der Heiligen ja eh immer auch für die Scheinheiligen!
Die sonnen sich dann gerne im Schein der Heiligen.
Heller ists dann alle mal. Vielleicht auch nur von der Sonne oben?! Die scheint ja für die Heiligen wie für die Scheinheiligen gleich warm. Wenns heiß wird schwitzen die Heiligen mit den Scheinheiligen im heiligen Schein.
Augenzwinker