Die meisten von uns vergessen hin und wieder, wo sie bestimmte, mehr oder weniger häufig gebrauchte, Gegenstände abgelegt haben. Beliebte Artefakte sind da beispielsweise Brillen, Schlüssel, Kugelschreiber, und manch einer vergisst ungünstigerweise knapp vor der eigenen Geburt darauf, sein Gehirn mit heraus in die Welt zu bringen. Häufig ist es dann auch wie im letztgenannten Fall: es dauert eine ganze Weile bis man bemerkt, dass da wohl etwas fehlt. Kurz darauf startet die panische Suche an den seltsamsten Orten. Unter dem Bett, im Restmüllcontainer, an Orten, an denen man noch gar nicht gewesen ist. Oder die Suche beginnt mit einem ratlosen Blick in den Spiegel. Im Fall des Gehirns, nicht der Brille.
Nun bei meiner Frau liegen die Dinge ein bisschen anders, bzw. ein bisschen wo anders. Sie vergisst mit leidenschaftlicher Hingabe auf ihr Mobiltelefon oder ihr „Handfunksprechgerät“, wie sie es nennt. Wobei das strenggenommen nicht wirklich stimmt. Denn sie achtet unbewusst fast schon pedant darauf, dass sich das Gerät genau dort befindet, wo sie sich ebenfalls aufhält. Sitzt sie auf der Couch, liegt es am zugehörigen Couchtisch. Verlässt sie das Haus, ist es in der Handtasche. Und zwar nicht in einer der unzähligen im Schrank, sondern exakt in jener Tasche, die an ihrer Schulter baumelt.
Das hält sie jedoch selbstverständlich nicht davor zurück, praktisch nach jedem Wechsel ihrer Aufenthaltskoordinaten angsterfüllt die Frage „Wo ist mein Handfunksprechgerät?“ in den Äther zu schleudern. Dieser antwortet meist in Form von mir, mit blumigen Ausführungen wie „Hier“, oder „In Deiner Tasche“, gefolgt von einer ortsangebenden Geste. Nicht, dass ich wirklich immer genau wüsste, wo sich ihr Mobiltelefon befindet, aber ich bin mittlerweile darauf konditioniert, Antworten dieser Art zu geben. Und was soll ich sagen, meine Trefferquote liegt bei 98,33%.
Schon gut, es bleiben also 1,67% Fehlerwahrscheinlichkeit. Handelt es sich um einen dieser Härtefälle, werde ich unverzüglich beauftragt, meine Frau anzurufen, um somit ihr Handfunksprechgerät zu lokalisieren. Das hat stets zur Folge, dass es an eben jenen Stellen klingelt, die ich zuvor so präzise beschrieben hatte. Schwieriger wird es allerdings, wenn meine Frau alleine unterwegs ist und mein „bakerstreetwürdiger“ Spürsinn nicht zur Verfügung steht. Erst vor einem Monat war es dann soweit, und das Problem nahm besorgniserregende Dimensionen an. Mein Telefon klingelte, und dran war meine Frau, die sich aufgeregt nach dem Aufenthaltsort ihres Mobiltelefons erkundigte.
Kurze Zeit später beschloss ich, der Sache ein für alle Mal ein Ende zu machen und programmierte eine Anwendung für ihr Telefon, die sich alle fünf Minuten meldet und bekannt gibt, wo sich das Gerät befindet. Registriert der Helligkeitssensor Licht, sagt eine freundliche Männerstimme „Ich bin hier, direkt neben dir“. Ist es dunkel sagt sie „Ich bin in deiner Tasche, und soweit ich das bei den Lichtverhältnissen sagen kann, befinden sich hier auch Kugelschreiber, Lippenstift und Geldbörse“.
Der Erfolg dieser Maßnahme ist bisher leider eher mit moderat zu bezeichnen, denn letzte Woche sagte meine Frau plötzlich zu mir: „Ich verstehe das nicht, das hatte ich doch früher nie. Ich höre ständig eine Stimme. Sogar in meiner Handtasche. Ich muss dringend einen Psychiater anrufen. Aaahhh, wo ist denn mein Handfunksprechgerät?“
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Fand ich extrem amüsant! Ich hoffe nur, die Dame ist mittlerweile darüber im Bilde, dass die Stimmen, die sie (sogar aus ihrer Handtasche) gehört hat, weder auf Spuk, noch auf Verrücktheit ihrerseits zurückzuführen waren, sondern eine ganz reale Ursache hatten.
Aber Spaß beiseite, nicht nur Frauen sind vom Verschwinden ihres Mobiltelefons betroffen, viele Männer auch. Bei den meisten sind die Gründe fürs Verlegen wahrscheinlich ähnlich wie bei Frauen, bei manchen allerdings ist die Ursache eine andere. Sie möchten nicht erreicht werden und legen ihr Handy oft bewusst wo ab, wo selbst die eifrig danach suchende Ehefrau (ich nehme einmal ganz positiv an, aus Helfersyndrom, aber eventuell auch, um sich bei gewissem Verdacht Gewissheit zu verschaffen) es nicht entdeckt. Manchmal erinnern sich die Herren dann allerdings auch selbst nicht mehr, wohin sie ihr Smartphone verfrachtet haben, und dann sind sie selbst gar nicht mehr so smart!
Ich kenne einen jungen Mann aus meinem familiären Umfeld, der offenbar auch ein Problem damit hat, sein Handy zu orten, denn er ist jedenfalls grundsätzlich so gut wie nie direkt telefonisch zu erreichen, und da ich aus leidvoller Erfahrung weiß, dass er auch seine Mailbox gewöhnlich nicht abhört, vertraue ich der nichts mehr an. Wie ich mit ihm trotzdem kommuniziere? Etwas umständlich! Ich schreibe ihm ein E-Mail, sende dieses ab und unmittelbar danach „simse“ (was für grässliche Sprachvergewaltigung!) ich: „Schau bitte Deine Emails an!“ Fast unglaublich, aber wahr, das funktioniert so gut wie immer, was mich ungemein beruhigt, weil es mir zeigt, dass seine ganz spezielle „Handyphobie“ nicht bedeutet, dass seine familiären Bande ihm „wurscht“ sind, sondern dass sie eher auf seinen Arbeitsstress zurückzuführen ist.