Die Zeit der EM kann für Fußball Frischlinge, meist Mädchen, durchaus eine wunderschöne sein. Nicht nur, weil die Straßen praktisch leergefegt sind und man ungestört shoppen kann oder weil einem die eigenen Probleme klein vorkommen, wenn sich ein Christiano Ronaldo durch einen gezielten Kopfball die ansonsten gut gegelte Frisur zerstört. Fußballgucken kann tatsächlich Spaß machen. Allerdings gilt es, sich als unbedarfter Neuling still in das bereits seit Jahren (anthropologisch gesehen sogar seit Jahrtausenden) bestehende Gefüge der EEMZ (eingefleischten EM Zuseher), meist Buben, einzubetten. Wenn Sie folgende Punkte beachten, wird die Zeit der EM eine unvergesslich schöne Periode in Ihrem Leben werden. Wenn nicht, … dann nicht!
Einstieg
Sie können damit rechnen, dass sämtliche EEMZ davon ausgehen, einen Dummdödel vor sich zu haben, der von den ungeschriebenen Gesetzen des Fußballschauens keine Ahnung hat. Das heißt, die ersten Minuten sind entscheidend. Schon ein unvorsichtiger quietschender Jubelruf an der falschen Stelle, und Sie können mitsamt ihrer mühsam hin gekritzelten Spickzettel einpacken. Das bedeutet: Recherchieren Sie vorher unbedingt, wer laut anwesender EEMZ gewinnen soll. Wie die andere Mannschaft heißt, ist nebensächlich. Hauptsache, Sie freuen sich mit den sich Freuenden an der richtigen Stelle und halten sonst den Mund!
Bier
Wer beim Spiel nach Wasser verlangt, hat bereits verloren. Vor, während und danach gilt es in jedem Fall, Bier zu trinken. Wobei es nicht darum geht, tatsächlich Bier zu TRINKEN. Man kann es auch vor sich stehen haben, umschütten, sich anschütten. Es reicht sogar, eine optisch bierähnliche Flüssigkeit zu konsumieren. Etwa Almdudler mit Mineralwasser gemischt oder eine andere gelbfarbene Flüssigkeit. Bitte nicht zu kreativ werden…
Kommentare
Der EEMZ erträgt eines nicht: Gespräche während des Spiels, die sich nicht um Fußball drehen. Vermeiden Sie also jedwede Thematik abseits des Fußballs. Verwenden Sie im Gegenteil Phrasen, in denen die Worte Fuß und Ball, Faul, Rückpass, Flanke oder Abseits vorkommen (komplett egal, ob Sie die Bedeutung verstehen). Am besten, Sie legen sich eine Liste zu und streichen im Laufe des Spiels heimlich alle verwendeten Ausdrücke ab, um sich nicht ungebührlich zu wiederholen.
Pinkelpausen
Für den EEMZ ändert sich die Zeitrechnung während der EM. Eine Stunde wird auf 45 Minuten reduziert. Dahingehen passt sich auf wundersame Weise auch die Blase des EEMZ an, mit einer beliebig dehnbaren Spanne, für etwaige Nachspielzeiten. Da innerhalb dieser Zeit der Raum nicht verlassen werden darf, NIEMALS (es gibt bereits spezielle EM Einlagen für Notfälle), sind die Toiletten logischerweise in den Spielpause überfrequentiert, was in einer kleinen Wohnung (ohne Garten als Ausweichmöglichkeit) bereits ab fünf Zusehern zu dramatischen Szenen führen kann. Schleichen Sie sich daher leise während der Spielzeit hinaus. Gehen Sie auf Zehenspitzen, verwenden Sie keine Wasserspülung, aber seien Sie sich trotzdem des Grundsatzes bewusst: gelb bleibt stehen, braun darf gehen!
Fluchen
Unerfahrene Fußballfrischlinge mögen davon ausgehen, dass Fluchen unter den EEMZ die einzig wahre Möglichkeit ist, sich ein wenig Respekt zu verschaffen. Aber bedenken Sie, was für den EEMZ gilt, kann für alle anderen ganz schnell zu einem „no go“ werden. Fluchen bei Neulingen wirkt anbiedernd und zeigt allen Anwesenden, was für ein Fußballwürstchen man in Wirklichkeit ist, das es nötig hat. Besser, man hält sich zurück und äußert nur hin und wieder ein passendes „Oh“ oder „Ups“, das aber bitte so verhalten rüberkommt, als würde man ohnehin alles checken, man sich aber für sein laienhaftes Wissen unter den Vollprofis ein wenig genieren und daher understatement üben. Einzig erlaubt ist „Haund“ (siehe Gesten).
Stickeralbum
Alle haben es, keiner redet in der Öffentlichkeit darüber. Sollten Sie also in der Wohnung des EEMZ ein Panini Stickeralbum zwischen dem „Spektrum der Wissenschaft“ und der „Frankfurter Allgemeinen“ versteckt entdecken, nehmen Sie nie, unter keinen Umständen, darauf Bezug. Selbst, wenn Sie es süß finden. Maximal dürfen Sie in völlig ernstem, beinahe abwesenden Ton so nebenher fragen, ob er den Fernando Torres schon habe, weil Ihnen würde er noch fehlen, oder ähnliches. Denn der EEMZ liebt sein Stickeralbum zwar über die Maßen, einmal dafür jedoch auch nur ansatzweise ungebührlich belächelt, könnte er sich in sein Schneckenhaus zurückziehen und erst wieder beim nächsten Faul zum Vorschein kommen.
Gesten
Dramaturgisch richtig eingesetzte Gesten und Gesichtsausdrücke sind für uns Mädchen ein Muss. Vor allem, weil sich auch die EEMZ, abseits vom Geruch, gegenseitig daran erkennen. Man kann das sehr schön alleine zu Hause üben. Eine wunderbare und immer wirksame optische wie akustische Darbietung wäre die „Haund“. Dabei steht man auf und wirft die rechte oder wahlweise die linke Hand nach vorne, streckt sie in einer vordergründig liebevollen Geste gerade aus, der Handrücken zeigt nach außen, und schreit laut „Haund“! Also übersetzt „Hey, ich muss mich aufregen, hier gab es ein Handspiel“. Glauben Sie mir, Sie werden bewundernde Blicke ernten!
Die Zeit danach
Vor dieser Zeit fürchten sich alle. In erster Linie die EEMZ, gefolgt von deren Frauen, Kindern, Freunden, Arbeitskollegen und Haustieren. Der EEMZ fällt nach der EM in ein tiefes dunkles Loch. Es gibt dazu nur eine, zu 100 Prozent wirksame Strategie: Beschäftigen Sie den EEMZ ununterbrochen und Sie werden sehen, nach exakt zwei Jahren ist er wieder ganz der Alte!
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